Anwenderbericht: NEC MobilePro 900/ 900C

von Monica Erdody
(read Monica's original review in English here)


Vorbemerkung

Wer sich ein bißchen mit HandheldPCs auskennt, dem muß ich nicht erzählen, daß Microsoft und die meisten OEM-Hersteller die Plattform HPC schon vor einiger Zeit aufgegeben haben. So traurig das ist, bleibt doch die vage Hoffnung, diese Geräteklasse könnte irgendwann in (naher?) Zukunft wiederbelebt werden. Seitens Microsoft gab es keine Neuauflage der Betriebssystemplattform HandheldPC seit der zweiten Hälfte des Jahres 2000. Windows CE wurde durchaus weiterentwickelt seither, es gab zunächst das sogenannte CE.NET, eigentlich Version 4.x von Windows CE (das Anhängsel .NET scheint lediglich eine kurzfristige Modeerscheinung in Microsofts Bezeichnungswirrwarr gewesen zu sein), und jetzt CE 5.0. Seitens der Hersteller gibt es heute nur noch wenige, aber wenigstens einige, die HandheldPCs produzieren. Da es keine adäquate Referenzplattform HandheldPC mehr gibt, bleibt Herstellern nur die Wahl zwischen der letzten offiziellen Version HPC 2000 und CE.NET (oder neuerdings CE 5.0). Die Frage, ob nun HPC 2000 oder CE.NET dabei die bessere Wahl ist, ist sehr vielschichtig, eine eindeutige und allgemein gültige Antwort gibt es nicht.

Ich denke, letztlich muß in dieser Frage jeder für sich selbst entscheiden. Ich will nun versuchen, diese beiden Betriebssystemoptionen zu vergleichen auf identischer Hardware-Grundlage. Selbstverständlich werde ich am Ende ein Fazit ziehen, selbstverständlich aber eben explizit mein ganz persönliches Fazit.

Soweit die eine Erklärung, warum ich einen Testbericht zum NEC MobilePro 900 bzw. 900C schreibe. Es gibt aber noch eine andere. Ich glaube nämlich, daß sowohl der MobilePro 900 wie der 900C (die von der Hardware her identisch sind) ausgezeichnete Handhelds sind, denen die meisten Leute einfach auf Anhieb rettungslos verfallen, sobald sie einen dieser exklusiven HPCs in die Finger bekommen :). Ihren exklusiven Status verdanken die Geräte der Tatsache, daß sie erstens vor einigen Monaten abgekündigt und zweitens offiziell immer nur in den USA verkauft wurden. Allerdings bin auch ich kein US-Bürger und besitze trotzdem einen... wer also so einen Handheld will, sollte nicht so schnell aufgeben, sie sind zu bekommen!

Erste Eindrücke zur Hardware

Bevor ich das Glück hatte, endlich einen leibhaftigen MobilePro 900 in Händen zu halten, hatte ich keine rechte Vorstellung, wie groß dieses Gerät ist. Bis dahin hatte ich nur Handhelds der Jornada 72x Reihe und entsprechend deren Größe im Kopf als Vergleichsmaßstab. So war ich nicht wenig überrascht, als ich das erstemal den MobilePro 900 neben meinem Jornada 728 stehen sah... Größe und "Tragbarkeit" standen für mich als Jornada-Nutzer immer im Vordergrund, aber der MP900 hat mich schnell überzeugt, daß auch ein größeres Gerät durchaus Sinn macht, wenn es nicht gleich ein Subnotebook sein soll. Der MP900 ist schließlich doch nur höchstens halb so groß wie ein wirklich kleines Subnotebook der älteren Generation, ein Toshiba Protege, und es arbeitet sich definitiv komfortabler mit dem NEC. Ja, sogar besser als mit meinem geliebten Jornada. Irgendwie scheint mir die Größe des MP900 inzwischen perfekt für einen benutzerfreundlichen Handheld. Das Gewicht ist mit etwa 820g ebenfalls sehr akzeptabel, mittlerweile spüre ich die zusätzliche Last in der Tasche schon gar nicht mehr.


Größenvergleich zwischen Jornada 728 (links) und dem NEC MobilePro 900

Wenn man als Hersteller nicht auf Teufel-komm-raus Größe und Gewicht reduzieren muß oder will, steht natürlich dem Einbau einer richtig guten Tastatur nichts im Wege. Die MobilePro-Serie von NEC ist ohnehin berühmt für ihre formidablen Keyboards und der 900 stellt da keine Ausnahme dar! Selbstverständlich tippe ich diesen Testbericht komplett auf der Tastatur des NEC. Der Hersteller hat wirklich keine Kompromisse gemacht beim Keyboard. Ich bin zwar kein Zehn-Finger-Tipper, aber mit meiner eigenen Schreibtechnik arbeite ich am NEC genauso schnell wie auf der großen Tastatur am PC. Möglicherweise sogar etwas schneller, da die Handheld-Tastatur ja doch kleiner ist und meine Hände deshalb keine so langen Wege zurücklegen müssen. Der einzige Schönheitsfehler an dieser Tastatur ist die Plazierung der Cursor-Tasten. NEC verwendet dieses Tastatur-Layout schon lange und hat sich bisher nicht von Anwenderbeschwerden beeindrucken lassen, jedenfalls nicht genug um das Layout zu verbessern. Die Pfeiltasten sind also immer noch in einer Reihe nebeneinander, was NEC-Neulinge schon einige Gewöhnungszeit kostet. Das soll jetzt niemanden erschrecken, tatsächlich hat es bei mir vielleicht ein, zwei Tage gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Das Problem ist nur, daß ich häufiger mit anderen Handhelds arbeite und dann nach ein paar Tagen mich am MobilePro wieder umgewöhnen muß.

Das Geräte-Design verdient natürlich auch ein paar Worte. Die MobilePro-Reihe zeichnete sich immer durch ein in meinen Augen gelungenes Design aus, das gilt aber in besonderem Maße für den 900! Die silberfarbenen Applikationen des Gehäuses, die gelungene Einbettung des Akku in die Deckelscharnieren, die verschiedenen Grautöne der Tastatur und des Gehäuses, das alles gefällt mir ausgezeichnet. Die Fertigungsqualität ist ebenfalls ausgezeichnet, da hat NEC gegenüber früheren Geräten endlich dazugelernt. Der Handheld fühlt sich ausgesprochen solide an und vermittelt ein gutes Gefühl beim Arbeiten, gleich ob man ihn auf dem Schoß hat oder auf den Tisch stellt. Nur ihn mit einer Hand halten zu wollen beim Arbeiten, ist so eine Sache...

Der Bildschirm bietet trotz 8,1" Diagonale nur Halb-VGA Auflösung (640x240). Es gibt Leute, die halten es für Verschwendung, bei einer derartigen Display-Fläche keine höhere Auflösung zu fahren, für andere ist das die perfekte ergonomische Balance. Mich persönlich stört die "nur" halbe VGA-Auflösung gar nicht, ganz im Gegenteil, ich halte sie für sehr geeignet für die meisten Anwendungen. Unabhängig davon, es gibt ja wohl keine so exotischen Zwischenauflösungen wie meinetwegen 960x360, zumindest dürfte so etwas nicht unterstützt werden durch Windows CE, und entsprechend hatte NEC ja keine andere Wahl - abgesehen von einem kompletten Redesign der Hardware. Sowohl MP900 wie 900C bringen ein DSTN-Display mit, was viele Leute enttäuscht hat, die von einem erst 2003 vorgestellten Gerät sich ein modernes TFT-Panel erwartet hätten. Tatsächlich macht es die altertümliche DSTN-Technik praktisch unmöglich, draußen in der Sonne den Bildschirm abzulesen oder Videos mit 24 Bildern/sec oder mehr abzuspielen. Es gibt aber auch einen Vorteil: Ich weiß sehr zu schätzen, daß dank der veralteten Technik die Batterie länger hält.

Wenn man sich die Gehäuseseiten näher ansieht, finden sich reichlich Möglichkeiten zur Funktionserweiterung. Rechts gibt es einen PCMCIA Typ II Slot, daneben einen USB Host-Port im Standard Typ-A Format, was viele freuen dürfte, sowie einen USB Client-Anschluß zum Synchronisieren. Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen HPC 2000 und CE.NET als Betriebssystem auf diesem Gerät betrifft die Einsatzmöglichkeiten des USB Host-Port, dazu aber später mehr.
Der CompactFlash Typ II Steckplatz ist vorne untergebracht, daneben der Kopfhöreranschluß und das Mikrofon. An der Geräterückseite findet sich der Infrarot-Port. Links schließlich gibt es einen seriellen Anschluß, VGA-out sowie die Kabelbuchse des integrierten Modems. Der externe VGA-Anschluß ist augenscheinlich nicht für Anschlußstecker in Standardgröße ausgelegt, da eine solche Buchse bei der Gehäusegröße des MP900 einfach keinen Platz hätte, vielmehr benötigt man ein optional erhältliches Adapterkabel.

Alles in allem ist die Hardware also recht eindrucksvoll. Wie aber steht's mit der Software?

Software und Betriebssystem

Die Mehrzahl der Handheld-Anwender kennt das Betriebssystem HPC 2000, seine Stärken wie auch seine Schwächen. CE.NET dagegen ist immer noch ziemlich wenig verbreitet, auch wenn gerade in jüngster Zeit die Nutzerzahl nach meiner Beobachtung steigt, nicht zuletzt dank in größeren Stückzahlen günstig auf ebay angebotener Siemens SIMpads und bSQUARE Power-Handhelds. Umso bemerkenswerter, daß es für MP900-Besitzer als Alternative zum vorinstallierten HPC 2000 ein Upgrade-Angebot für CE.NET gab. Problem ist, daß nach dem Abkündigen des Geräts durch den Hersteller heute nur noch schwer an dieses Update heranzukommen ist. Das größere Problem freilich ist, daß dieses Upgrade eine Einbahnstraße darstellt, eine Rückkehr zu HPC 2000 ist nicht möglich. Nochmal und fett unterstrichen: es gibt kein Zurück! Es sei denn, jemand findet noch einen Weg, erstens vor dem Upgrade einen Dump des originalen ROM mit HPC 2000 zu ziehen, zweitens den NEC Bootloader dazu zu bringen, diesen Dump als gültiges ROM-Image zu akzeptieren und zurückzuflashen. Ich kenne zwei verschiedene Tools, um einen ROM Dump zu ziehen. Keines von beiden arbeitet zuverlässig genug, jedenfalls zu dem Zeitpunkt, da ich diesen Bericht schreibe, um das so gewonnene ROM-Image guten Gewissens anderen Anwendern zur Verfügung zu stellen, selbst wenn diese Anwender völlig auf eigenes Risiko das Experiment wagen wollten in vollem Bewußtsein, dabei womöglich den Handheld komplett zu zerschießen. Besagte Tools sind bisher einfach nicht gut genug, um schon jetzt in dieser Richtung weiterzudenken.

Wer noch überlegt, das Upgrade sich zu besorgen und zu installieren, dem kann ich vielleicht ein paar Entscheidungshilfen an die Hand geben.

Gleich vorweg bemerkt: Gemeinsamkeiten wie auch Unterschiede der Benutzeroberfläche fallen auf Anhieb ins Auge. Obwohl CE.NET eigentlich nicht mehr ist als das rudimentäre Basisbetriebssystem, keine ausgewachsene Plattform wie HPC 2000, sieht es genauso aus wie HPC 2000 und bedient sich auch so. Im Detail gibt es natürlich Unterschiede in der Gestaltung von Oberflächen und Dialogboxen, insgesamt wirkt CE.NET neuer und moderner. Die wirklichen Unterschiede sind aber nicht an der Oberfläche zu finden.

Da CE.NET eben keine komplette Plattform mit Betriebssystem und Basis-Applikationspaket darstellt, fehlt wahrscheinlich den meisten Anwendern vor allem erstmal eines - PIM. CE.NET-Geräte bringen keinerlei PIM-Applikationen mehr mit, womit Microsoft leider einmal mehr unter Beweis stellt, wie wenig dem Konzern HPC-Geräte inzwischen noch wert sind. Glücklicherweise gibt es durchaus noch Lösungen für Nutzer, die auf PIM nicht verzichten können. Die meisten Hersteller von CE.NET-Geräten nehmen sogar entweder selbstgestrickte oder von Drittfirmen zugekaufte PIM-Pakete zur Verwaltung von Kontakten, Terminen und Aufgaben mit ins ROM auf. Darüber hinaus kann auch der User selbst sehr ansprechende Lösungen von Fremdanbietern installieren, z.B. CEAgenda oder Pocket On-Schedule, von denen letzteres ein wirklich komplettes, mit Features beinahe schon überfrachtetes PIM-Programm darstellt, das die allermeisten Anwender zufrieden stellen sollte. Allerdings gab es auch einige Meldungen, die von keineswegs reibungsloser Synchronisation mit dem Desktop-PC berichteten.
NEC liefert mit dem MP900C die PIM Anwendungs-Suite von bSQUARE mit.

Das zweite unter CE.NET schmerzlich vermißte Software-Paket ist Pocket Office. Auf den ersten Blick ist das vielleicht ein Schock, auf den zweiten Blick in den meisten Anwendungsfällen aber kein wirklich so großer Einschnitt. Es gibt zum Beispiel immer noch Pocket Word, nur jetzt unter dem Namen WordPad, plus als Zugabe noch einen recht brauchbaren Word-Viewer. Letzterer erlaubt zwar nicht das Editieren von Dokumenten, zeigt dafür aber wenigstens auch Tabellen und Bilder in einem Dokument an, was Pocket Word noch nie konnte!

In Sachen Tabellenkalkulation sieht die Sache jedoch wirklich nicht gut aus, als Kunde ist man auf Gedeih und Verderb der Gnade des OEM-Herstellers ausgeliefert, was das Implementieren geeigneter Programme ins ROM betrifft. NEC setzt auch hier auf ein passendes Programm von bSQUARE (wie auch sonst einiges an bSQUARE-Software zu finden ist... scheinbar hat NEC hier ein sehr umfangreiches Lizenzabkommen mit bSQUARE geschlossen, sogar der Bootloader zeigt das bSQUARE-Logo!). Wem das nicht reicht (mir genügt es durchaus), weil in der Funktionalität zu beschnitten, dem stehen immer noch einige Spreadsheet-Lösungen von Fremdanbietern zur Verfügung. Drei fallen mir auf Anhieb ein, davon ist Planmaker aus dem Hause Softmaker sicherlich an erster Stelle zu nennen. Bei der Gelegenheit sei auch gleich auf Textmaker vom selben Hersteller hingewiesen, eine äußerst leistungsfähige Textverarbeitung für all die, die mit Pocket Word nicht zufrieden sind, und zwar gleichermaßen unter HPC pro, HPC 2000 und CE.NET.
Einen Powerpoint Viewer gibt es unter CE.NET auch, keineswegs schlechter als der unter HPC 2000. Pocket Access schließlich haben nach meiner Beobachtung ohnehin sehr wenige Anwender genutzt, entsprechend sollte dessen Wegfall unter CE.NET wenig Trauer hervorrufen.
Zwei weitere File Viewer gibt es noch auf den meisten CE.NET-Geräten (aber nicht auf allen, der Sigmarion III etwa kommt ab Werk ohne), nämlich für PDF-Dateien und für gängige Bildformate wie JPG und GIF. Der PDF Viewer ist es wert, genauer betrachtet zu werden: Er lädt Dateien sehr schnell und scrollt auch recht flott durch das Dokument, deutlich schneller als der Adobe Acrobat Reader jedenfalls. Leider kann der Viewer nicht mit allen PDFs umgehen, insbesondere Dokumente mit internationalen Sonderzeichen bereiten ihm Probleme.

Es gibt eine ganze Reihe von Verbesserungen in Sachen Software unter CE.NET, die ich bisher noch nicht erwähnt habe. Wer sich mit dem Thema schon beschäftigt hat, denkt jetzt sicherlich als erstes an den Internet Explorer 6.0. Tatsächlich ist der IE 6.0 ein ausgezeichneter Webbrowser, wirklich einer der besten, die für PDAs heute angeboten werden, insbesondere wenn der Gerätehersteller auch gleich noch die Jeode Java VM von Insignia ins ROM mit aufgenommen hat sowie vielleicht sogar den Macromedia Flashplayer 5.5 oder 6.0. NEC hat dies beim MP900C leider versäumt, der Anwender bekommt nur den nackten IE 6.0, der so aber immer noch sehr tauglich ist zur Darstellung der allermeisten Websites. Wer auf Java angewiesen ist, kann nachträglich immer noch Jeode installieren oder alternativ, mit ein bißchen Trickserei, Access Netfront 3.0 mit seiner beeindruckenden Java-Unterstützung, die in vielen Belangen sogar Jeode schlägt.
In Sachen Geschwindigkeit ist der IE 6.0 nicht unbedingt eine Verbesserung gegenüber älteren Browser-Generationen. Als Anwender verschlechtert man sich aber auch sicher nicht, und die Stabilität des neuen Browsers ist nach meiner Erfahrung phänomenal! Übrigens kam mir der Zugriff auf einige Sites mit dem IE 6.0 auf dem Psion Netbook Pro schneller vor als mit meinem 900C, aber dieser nur gefühlte Geschwindigkeitsvorteil ließ sich bisher nicht belegen mangels Gelegenheit, beide Geräte Seite an Seite unter identischen Bedingungen zu testen.

Nennenswert unter den mitgelieferten Programmen wäre noch der Remote Desktop Client, der dem "großen Bruder" auf dem Desktop unter Windows XP nicht nur zum Verwechseln ähnlich sieht, sondern auch genauso funktioniert, und eine Menge mehr Features mitbringt als die älteren Versionen des Terminal Server Clients unter HPC pro und HPC 2000. Außerdem bringt der 900C die mobile Version des Media Player 9 mit, ähnlich wie die meisten aktuellen PocketPCs. NEC hat den MSN Messenger weggelassen und es gibt auch keine aktuelle Version zum Nachinstallieren, lediglich inzwischen meist veraltete, ohnehin nie so ganz offiziell unterstützte Clients wie MS Portrait oder den IMOV Messenger. Aber an diesem Thema arbeite ich noch...

Zu guter letzt sei auf die deutlich ausgeweiteten Kommunikationsmöglichkeiten unter CE.NET 4.2 bei gleichzeitig verbesserten Sicherheitsoptionen hingewiesen, die am 900C zur Verfügung stehen. So lassen sich zum Beispiel vergleichsweise einfach PPPOE- oder VPN-Verbindungen (PPTP oder L2TP) einrichten oder der WLAN-Zugang per WPA oder WPA-PSK absichern! Stichwort WLAN: Die meisten Nutzer sollten mit dem nativen WLAN Konfigurations-Manager gut zurecht kommen, der gleich auch viele frühere Probleme für WLAN-Nutzer unter älteren CE-Versionen beseitigt, so etwa das Suchen und Auswählen verfügbarer Netzwerke, das Einrichten bevorzugter Netzwerke, oder auch nur das Abfragen der eigenen IP-Adresse, was häufig auf früheren Gerätegenerationen schon den Einsatz zusätzlicher Tools erforderlich machte. Wenn man sich vor der DOS-Kommandozeile nicht scheut, läßt sich in der DOS-ähnlichen Box eine Menge mehr über Netzwerkverbindungen herausfinden, z.B. alle verwendeten IP-Adressen und die übertragenen Datenmengen. Noch ein nettes Feature: Wer eine PCMCIA- oder CompactFlash-Karte für WLAN nutzt, die auf dem weit verbreiteten PRISM-Chipsatz basiert, muß sich um einen passenden Treiber keine Sorgen machen, CE.NET bringt bereits einen mit.

All diese Dinge - und noch ein paar mehr, auf die ich aufgrund von Platzmangel hier nicht eingehen kann - sorgen unter CE.NET für eine Arbeitsumgebung, die deutlich näher dran ist an dem, was auf dem Desktop-PC oder einem Notebook läuft, als bisher bei HandheldPCs üblich.

Es gibt aber noch andere wichtige Dinge, über die man reden muß.

Eines davon ist die Anzahl der für CE.NET verfügbaren Programme. Neueinsteigern ist zumeist nicht bekannt, daß sie bis auf ganz wenige Ausnahmen auch alle Applikationen verwenden können, die in einer ARM-Version für HPC pro oder HPC 2000 zur Verfügung stehen. Der PXA255 XScale-Prozessor des MobilePro 900/900C ist abwärtskompatibel zum älteren StrongARM, der z.B. in der HP Jornada 72x Serie verbaut wurde. Dazu muß man aber ein paar Dinge wissen. Am 900C (zum Teil sogar dem 900) fehlen eine Reihe essentieller Dateien vom Typ DLL (im Prinzip Bibliotheken, die anderen Programmen und dem Betriebssystem selbst häufig benutzte Funktionen zur Verfügung stellen), die auf anderen Geräten standardmäßig vorhanden sind, von vielen Programmen auch benötigt werden und deshalb am 900/900C manuell hinzugefügt werden müssen. Das klingt schwieriger, als es tatsächlich ist. Es genügt, die folgenden Dateien sich im Internet zu besorgen und in das Verzeichnis \windows zu kopieren: mfcce211.dll, olece211.dll, mfcce300.dll, olece300.dll und toolhelp.dll. Die ersten beiden sorgen für Kompatibilität mit HPC pro Software, die nächsten beiden gewährleisten Lauffähigkeit von HPC 2000 Programmen, die letzte schließlich wird von manchem sehr nützlichen Programm wie etwa iTaskManager oder Nyditot Virtual Display benötigt. Ja, es ist tatsächlich möglich, Nyditots bekanntes Tool zur Manipulation der Display-Ansteuerung auf dem 900C laufen zu lassen, aber aufpassen, daß es die aktuellste Version ist (4.23)!


Sagenhafte 1280x480 Auflösung am NEC dank Nyditot Virtual Display

Wie gesagt, bis auf ganz wenige Ausnahmen läßt sich damit alles zum Laufen bringen, was für HPC pro und HPC 2000 geschrieben wurde. Ausnahmen sind zum Beispiel jene Programme, die auf eine bestimmte HPC 2000 Version der Datei htmlview.dll angewisen sind. Am 900C fehlt diese Datei gänzlich, auf anderen CE.NET-Geräten dagegen ist sie vorhanden. Noch sonderbarer ist, daß offenbar verschiedene Versionen dieser DLL unter CE.NET existieren, keine davon scheint aber völlig kompatibel zu der aus HPC 2000. Das schränkt die Abwärtskompatibilität von CE.NET grundsätzlich ein, am 900C durch das Fehlen der Datei aber besonders. Mit ein bißchen Suchen läßt sich eine CE.NET Version der DLL im Internet schon auftreiben, was aber nur begrenzt weiterhilft - manche Programme laufen dann, andere aber immer noch nicht. Pocket On-Schedule etwa funktioniert damit prima, das Wörterbuch-Programm Mdict dagegen nicht. Interessanterweise läuft Mdict problemlos auf dem Sigmarion III, wohl aufgrund einer wieder anderen Version von htmlview.dll.
Abschrecken sollte das niemanden, nur sehr wenige Programme verwenden diese htmlview.dll, und von denen wiederum lassen sich einige über Tricks doch noch zum Laufen bringen.
Andere Probleme und Inkompatibilitäten mit HPC 2000 Software sind mir nicht bekannt, was aber selbstverständlich nicht heißt, es gäbe garantiert keine weiteren. Solche Dinge sollten äußerst selten vorkommen, aber sie kommen zweifellos vor. Ich gehe trotzdem davon aus, daß 95 bis 99 Prozent aller dieser Programme unter CE.NET wunderbar funktionieren.

Wie die meisten Anwender wahrscheinlich wissen, läßt sich unter HPC 2000 eine erkleckliche Anzahl an PocketPC-Programmen zum Laufen bringen (hauptsächlich PPC 2000 und 2002, manchmal sogar Windows Mobile 2003), aber wie steht es damit unter CE.NET? Nun, grundsätzlich verhält es sich in Sachen Kompatibilität zu älteren PocketPC-Applikationen da ganz ähnlich, allerdings darf man sich nicht scheuen vor einem "Extra-Hack" wegen der Datei aygshell.dll. Konkret heißt das: Selbst vielen PocketPC-Programmen, die unter HPC 2000 ohne viel Heckmeck funktionieren, muß man unter CE.NET 4.2 mit einem Hexeditor zu Leibe rücken, ehe sie laufen. Für einen halbwegs versierten Anwender sollte das aber kein größeres Problem sein.
Auf der anderen Seite gewinnt man auch Kompatibilität. Unter CE.NET 4.2 lassen sich definitiv mehr Applikationen überreden zu funktionieren, die für Windows Mobile 2003 geschrieben wurden. Sofern man mit einem Hexeditor umgehen kann.

Weiterere wichtige Punkte sind sicherlich Stabilität und Geschwindigkeit des Betriebssystems. Ich war ab und an ziemlich frustriert von der mangelnden Stabilität von HPC 2000, obwohl ich einschränken muß, die meiste Zeit über lief es sehr annehmbar und ich mußte auch nie den Verlust wichtiger Daten beklagen. CE.NET 4.2 allerdings läuft nach meinen Erfahrungen deutlich stabiler, Resets nach Systemabstürzen oder ähnlichem sind fast nie nötig. Systemhänger, in denen ein Prozess die CPU "auffrißt", kommen seltener vor, zudem scheint sich das System in solchen Situationen häufig von selbst wieder zu erholen nach ein paar Sekunden. Ernstere Störungen kommen deutlich seltener vor, wie gesagt, gerade auch bei Verwendung des Internet Explorer. Für CE.NET 4.1 gilt das nicht in ganz der selben Weise, CE.NET 4.2 aber läuft annähernd perfekt, meine ich. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Auch unter CE.NET 4.1 sind Resets äußerst selten nötig.
Kurz zum Thema Geschwindigkeit: Der MP900 fühlte sich unter HPC 2000 ein bißchen träge an, der 900C mit CE.NET ist nach meinem Gefühl etwas schneller, sehr nett.

Schließlich noch zu einem Thema, das viele interessieren dürfte: In gewisser Weise stehen unter CE.NET deutlich bessere Erweiterungsmöglichkeiten zur Verfügung, hauptsächlich über USB. Für viele Erweiterungskarten gilt an sich, daß eher Treiber für HPC 2000 zu finden sind als für CE.NET, aber das gilt eben nicht für USB. Mit dem MP900 unter HPC 2000 läßt sich der USB-Anschluß kaum nutzen außer vielleicht für Mäuse und Tastaturen. CE.NET dagegen bringt bereits einen Massenspeichertreiber mit, mit dem sich Speichersticks, externe Festplatten oder auch viele Digitalkameras verwenden lassen. Es ist sogar möglich, von externen CD- oder auch DVD-Laufwerken Daten zu lesen - das Schreiben auf optische Laufwerke ist dagegen nicht möglich.
Dazu noch eine Bemerkung: Ich habe wiederholt gelesen, es gäbe solche geräte- und herstellerunabhängigen Massenspeichertreiber auch zum Nachinstallieren für z.B. den Intermec 6651. Sofern das stimmt - ich selbst habe diese Treiber bisher immer vergeblich gesucht - wäre dieser Vorteil des 900C mit CE.NET gegenüber dem 900 mit HPC 2000 natürlich dahin.

Fazit

Rentiert es sich also, einen MP900 mit CE.NET aufzurüsten oder gar gleich gezielt den 900C zu kaufen?

Für mich persönlich kann ich die Frage mit einem laut schallenden "Ja" beantworten. Die meisten Anwender, mit denen ich gesprochen habe, haben das Upgrade auf den 900C nicht bereut. Natürlich ist jeder, der auf Pocket Outlook angewiesen ist und für den die genannten Alternativlösungen für CE.NET nicht in Frage kommen, nach wie vor mit HPC 2000 besser bedient. Für alle anderen bietet CE.NET einfach mehr Potential und in vielerlei Hinsicht weniger Limitierungen als ältere HPC-Plattformen.

7. Oktober 2005
Monica Erdody (cmonex)

Namentlich gekennzeichnete Anwendertestberichte geben ausschließlich die Erfahrungen und Meinungen des Autors wieder.


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