Anwenderbericht: NTT DoCoMo Sigmarion III

von Martin Hase


Eine kurze Einleitung

Seit vier Jahren fröne ich dem Hobby Handheldcomputer. Nach diversen Geräten mit DOS, einem Psion-Nachbau und einem HP Jornada 710 bin ich schließlich beim NTT DoCoMo Sigmarion III gelandet.

Der Sigmarion III ist ein Handheld aus Japan mit japanischer Tastatur und Betriebssystem. Er wurde von NTT DoCoMo, einem japanischen Mobilfunkkonzern, zur Einführung von UMTS als mobiles Datenendgerät vermarktet. Der Preis in Japan lag bei umgerechnet unter 400 Euro! Für einen Handheld mit brauchbarer Tastatur konkurenzlos günstig, kostet doch z.B. ein Netbook Pro fast 1500 Euro!

Entwickelt und produzierte wurde der Handheld von NEC. Die Erfahrung von NEC in der Entwicklung und in der Produktion von Handhelds spürt man deutlich, wenn man das Gerät in den Händen hält.

Ein paar Eindrücke

Wie heißt es so schön: Der erste Eindruck ist der entscheidende. Beim Betrachten des Sigmarion im geschlossenem Zustand fällt sofort die silberne Einfassung auf. Auch der schicke, silbern sich vom schwarzen Hintergrund abhebende Sigmarion-Schriftzug vermittelt einen edlen Eindruck. Leider wird dieser nicht durch die erste Berührung bestätigt - schlichtes Plastik!
Obwohl die Anmutung also edler seien könnte, ist das Gerät doch ordentlich verarbeitet. Selbst einen Sturz von der Tischkante auf Betonfußboden überlebt mein Sigmarion ohne ernste Schäden, nur ein neuer Kratzer war zu beklagen.

Beim in die Hand Nehmen fällt unmittelbar sein geringes Gewicht von knapp über 500 Gramm auf. Seine Abmessung sprengen andererseits leicht den Rahmen eines normalen PDAs. Es erfordert schon etwas Suchen, bis man eine Jacke mit einer genügend großen Innentasche gefunden hat.

Zur Technik

Obwohl der Sigmarion schon vor mehr als zwei Jahren vorgestellt wurde, kann sein Innenleben durchaus noch mit dem heutiger PDAs und PPC mithalten.


Das Innenleben des Sigmarion III, von einem japanischen Fan photographisch dokumentiert.

Intel PXA255 CPU @ 400 MHz
Als "Herz" spendierte NEC dem Sigmarion eine echte Highspeed-CPU von Intel. 400 MHz klingen zwar nach nicht gerade viel, doch für einen PDA sind sie enorm. Selbst heute werden noch PPC und Navigatinssysteme auf CE.NET-Basis mit 300 MHz CPUs oder noch geringer getakteten Varianten ausgeliefert,
Die vom Prozessor zur Verfügung gestellte Leistung verschafft dem Sigmarion einen guten Auftritt bei fast allen Aufgaben. Selbst MPEG4-codiert Videos in hohen Auflösung kann er flüssig wiedergeben. Auch Textverarbeitung und gleichzeitige MP3-Wiedergabe bringen ihn nicht ins Stocken.
Sollte doch mal die Leistung nicht ausreichen, schaffen kleine Übertaktungstools Abhilfe. Mit ihnen läßt sich die CPU bis auf 800 MHz hochfahren - natürlich immer auf eigenes Risiko.


Theoretisch läßt sich der PXA255 bis 800MHz übertakten, oberhalb 530MHz leidet aber die Stabilität.

Speicherausstattung
Der Sigmarion bringt 64 MB RAM und nochmals 32 MB ROM mit. Die Ausrüstung mit RAM ist zwar nicht gerade übig, jedoch für die klassischen PDA-Aufgaben wie Terminverwaltung und E-Mails völlig ausreichend. Jedem Power-User, der jede Menge Programm nachinstalliert, rate ich doch dringend zu einer sehr großen Speicherkarte.

Grafikchip und Bildschirm
Besonders seine gute Grafik zeichnet den Sigmarion aus. In ihm steckt ein ATI-Grafikchip mit eigenen 8 MB Video-RAM - eine Seltenheit bei PDAs! Der Bildschirm stellt 800x480 Bildpunkte dar (XVGA). Die gebotene Grafikleistung ist mehr als ausreichend, da es abgesehen von Video-Playback keine Anwendung am Handheld gibt, die den Chip ernsthaft fordert. Schließlich gibt es außer einem Doom-Port keine wirklichen 3D-Shooter für Handhelds.
Der TFT-Bildschirm läßt sich gut ablesen, obwohl er doch viel Auflösung auf einer geringen Diagonale bietet. Zur Verbesserung der Lesbarkeit kann sowohl die Schriftgröße variiert als auch Microsofts ClearType-Technologie aktiviert werden, welche die Darstellung von Schrift durch Kantenglättung verbessern soll - über den Effekt läßt sich streiten.
Leider hat NEC nur ein transmissives Display in den Sigmarion gepackt, weshalb es sich bei direkter Sonneneinstrahlung de facto nicht mehr ablesen läßt. Auch die Spiegelungen der Umgebung fallen negativ auf. Gut hingegen ist die Hintergrundbeleuchtung, die das Arbeiten an fast jedem Ort erlaubt.

Die Tastatur
Auch die Tastatur des Sigmarion kann sich sehen lassen. Sie hat ein leicht modifiziertes QWERTY-Layout, welches um japanische Schriftzeichen erweitert wurde. Besonders die Anordnung von Sonderzeichen ist leicht gewöhnungsbedürftig. Dafür liefert die Tastatur klare Rückmeldung beim Schreiben. Die Tasten sind durchaus groß genug, um flüssiges Schreiben auch längerer Texte zu ermöglichen.
Das Fehlen von deutschen Umlauten mag auf den ersten Blick abschrecken, aber auch hierfür gibt es eine Lösung: Das Umlaut-Tool von Wolfgang Rolke.

Erweiterungssteckplätze
An Bord des Sigmarion III befindet sich ein CF Typ 2 Steckplatz und ein Slot für SD-Karten. Auch SDIO-Karten werden nach einem Treiberupgrade unterstützt.
Der CF-Steckplatz nimmt bei mir fast nur IO-Karten wie Netzwerk oder Bluetooth auf. Allerdings besitze ich auch ein 2.2 GB Microdrive für den Musik- und Filmgenuß unterwegs.
Im SD-Steckplatz hat eine langsame 256 MB Karte ihren Platz, auf der meine Anwendungen und wichtige Daten untergebracht sind.

Schnittstellen
An integrierten Schnittstellen bietet der Sigmarion den üblichen Standard. Eine IrDA-Schnittstelle und ein USB-Slave für die Synchronisation sind an Bord. Eine Besonderheit gibt es trotzdem noch: Der Sigmarion III verfügt über einen USB Host-Port, ausgelegt als Mini-A. Leider wird der Host-Controller nur unzureichend unterstützt. Abgesehen von Treibern für USB-Massenspeicher und Human-Interface-Devices (HID) gibt es keine Unterstützung seitens NEC oder NTT DoCoMo. Zudem ist Mini-A offenbar nicht übermäßig weit verbreitet, ein passender Adapter zum Anschluß von Standard-A Kabeln ist nicht so leicht zu finden.

Batterie
Auch heute ist das Argument einer deutlich längeren Lautzeit von Handhelds gegenüber Notebooks ein nicht zu unterschätzender Faktor. Der mitgelieferte Lithium-Ionen-Akku mit seinen 1500 mAh soll laut Hersteller für bis zu acht Stunden Betrieb ausreichen. Realistisch sind meiner Erfahrung nach fünf Stunden bei Textverarbeitung und ein wenig MP3-Playback.
Mit dem optional erhältlichen Extended Akku für den Sigmarion III erreicht man dank doppelter Kapazität auch die doppelte Laufzeit gegenüber dem einfachen Akku. Empfehlenswert ist dieses nicht ganz billige Zubehör auf jeden Fall für WLAN-Nutzer. Schließlich saugen diese Micro-Sender einiges an Strom aus dem Akku.
Aber auch durch ein brauchbares Powermanagement läßt sich einiges an effektiver Arbeitszeit rausholen. So läßt sich in der Systemsteuerung die Brenndauer der Hintergrundbeleuchtung nach dem letzten Tastendruck auf wenige Sekunden herunterregeln und auch der Standby-Modus kann bereits nach einer Minute aktiviert werden. Zudem kann man durch Dimmen der Hintergrundbeleuchtung zum Beispiel bei der Verwendung als MP3-Spieler ordentlich Energie einsparen. Damit gewinnt man je nach Arbeitsumgebung ein bis zwei Stunden effektive Arbeitszeit hinzu.

Hilfe! Der spricht japanisch...

Da der Sigmarion III ausschließlich in Japan vertrieben wurde, kommen natürlich alle Anwendungen und auch das Betriebssystem mit japanischer Benutzeroberfläche. Nun könnte man anfangen Japanisch zu lernen... oder "einfach" das Gerät eindeutschen!

Dank einer sehr aktiven Fangemeinde ist der Handheld mittlerweile so gut übersetzt, daß auch ein Neuling durchaus damit zurecht kommt. Einzig die Systemsteuerung bildet hier noch eine Ausnahme.
Besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle an Wolfgang Rolke richten für sein Übersetzungs-Tool. Damit lassen sich weite Teile das Systems vollautomatisch übersetzen. Außerdem kopiert es auf Wunsch auch gleich Systemdateien in englischer oder deutscher Version ins Windows-Verzeichnis, die sich ansonsten nicht so leicht verändern lassen. 

Ich persönlich habe für den Fall einer fälligen Neueinrichtung meines Sigmarion ein kleines Archiv mit allen nötigen Systemdatei zusammengestellt. Einmal auf die Speicherkarte kopiert, bei Bedarf ausgeführt und ich verstehe ihn binnen weniger Augenblicke wieder.

Mitgeliefert Anwendungen

Da es sich um ein Gerät auf Japan handelt, sind natürlich auch alle Anwendungen japanisch. Dennoch gibt es zwei Programme im ROM, die von Wert auch für Nicht-Japaner sind.


Der Universal-Viewer Picsel Browser läßt sich auch ohne Japanisch-Kenntnisse leicht benutzen

Picsel Browser
Der Picsel Browser ist die Universalapplikation des Sigmarion III. Mit ihm läßt sich nahezu jeder Dateityp, egal ob Text, Tabelle, Präsentation, Bild oder Flash-Animation darstellen. Ein besonderes Gimmick stellt hier der an der linken Seite des Bildschirms stufenlos einstellbare Zoom dar. Auch lassen sich Dokumente zum Betrachten frei über den Bildschirm bewegen. Eine gut aufbereitete Dateinavigation steht außerdem zur Verfügung.
Wie man auf dem Bild oben gut erkennen kann, ist das Programm weitestgehend selbsterklärend. Für mich stellt dieses Programm schon ein sehr hohes Niveau an DAU-Verträglichkeit dar.

Mobile Custom
Leider ist dieses Programm nicht ganz so selbsterklärend wie der Picsel Browser. Trotzdem sollte man dieses Tool nicht ignorieren! MobileCustom stellt nämlich quasi den Windows Update Service für den Sigmarion III dar. Über diese Software lassen sich neue Treiber und System-Updates herunterladen. Auch sind hier zusätzliche Anwendungen kostenfrei verfügbar. Zudem gibt es noch eine Auswahl von Hintergrundbildern zum Überspielen.


Soviel Japanisch muß sein: Mobile Custom stellt wichtige Updates zur Verfügung

Verfügbare Software

Für den Sigmarion steht wohl die größte Auswahl von Programmen zur Verfügung, die es je für einen Handheld gab. Zum einen läuft nahezu jede Software, die für die HPC Pro und HPC2000 Plattform geschrieben wurden; einzige Ausnahme bilden hier die embedded-Visual-Basic-Programme. Zum anderen lassen sich viele PPC-Anwendungen dank der guten FakeDLLs für CE.NET zum Laufen bringen. Hinzu kommt die native Unterstützung des .NET Compact Frameworks, auf dessen Basis wir neue und interessante Programme erwarten dürfen.
Einen weitere Versorgungsquelle stellen die vielen japanischen Hobby-Coder dar. Dank der Popularität des Sigmarion in Japan und seiner großen Verbreitung gibt es dort einige Programmierer, die tatsächlich nur für den Sigmarion schreiben.

Meine Software Top-Ten

1. Textmaker
Die einig brauchbare Textverarbeitung am Handheld. Sie beherrscht fast genauso viele Funktionen wie Word und ist extrem formatkompatibel.

2. CEAgenda
Der Remake der Agenda-Anwendung des Psion. Eine gelungene Mischung aus funktionellem Terminkalender mti Outlook-Anbindung und nostalgischem Flair.

3. WinamPAQ
Ein Clone von Winamp für den Handheld. Die Bedienung der Hauptelement stimmt mit Winamp 2 überein. Nur besitzt es nicht so viele Funktionen wie das Original. Trotzdem ein gelungener MP3-Spieler.

4. GSPlayer
Ebenfalls eine Musikabspiel-Software. Jedoch unterstützt sie zusätzlich Ogg Vorbis und Shoutcast-Streams.

5. CanTris
Ein netter, farbiger und anspruchsvoller Tetris-Clone - mein Lieblingsspiel!

6. Betaplayer/ TCPMP
Der wohl beste Video-Player für den Handheld. Bis jetzt habe ich noch keine MPEG4-Codierung gefunden, die er nicht wiedergeben konnte.

7. PocketMVP
Auch eine Videoabspielsoftware, nur diesmal besonders für MPEG und MPEG2-Wiedergabe geeignet.

8. Total Commander
Ein Dateimanager mit dem klassischen Norton Commander Aufbau. Neben den normalen Dateioperation beherrscht er auch das Ent- und Verpacken von ZIP-Archiven und erleichtert das Erstellen von Verknüpfungen.

9. Internet Explorer 5.5
Zwangsweise in meiner Top-Ten aufgeführt, da es keine echte Browseralternative gibt.

10. Planmaker
Eine der leistungsfähigsten Tabellenkalkulationen für Handhelds. Besonders die gute Unterstützung des Excel-Formats macht es zu einem Muß.


Textmaker ist für mich unverzichtbar auf einem Handheld! Dieser Review entstand komplett auf dem
Sigmarion, geschrieben in Textmaker.

(M)Ein Fazit

Ein klassischer PDA kann und will der Sigmarion nicht sein! Dafür ist er einfach zu groß. Als Laptop-Ersatz fehlt es ihm andererseits etwa an Erweiterbarkeit und Spezial-Software. Für mich ist der Sigmarion die mobile Erweiterung meines PCs. Um mobil Dateien zu bearbeiten, zu surfen oder auch mal zu spielen, ist er genau richtig. Für alles andere steht ein ausgewachsener PC zu Hause.
Seine Fähigkeiten in Bezug auf Multimedia-Wiedergabe sowie Kommunikation machen ihn zum idealen Begleiter für mich. Besonders aber seine lange Akkulaufzeit läßt mich den Sigmarion III jedem Laptop vorziehen.

Leider ist der Sigmarion kein Handheld für jedermann, da durch die japanischen Spracheinschübe die Bedienung nicht gerade vereinfacht wird und gelegentlich die lange gesuchte, endlich gefundenen Software erst einmal einer Modifizierung bedarf, bevor sie funktioniert.

07. Oktober 2005
Martin Hase (rabbit@net)

Namentlich gekennzeichnete Anwendertestberichte geben ausschließlich die Erfahrungen und Meinungen des Autors wieder.


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